Volksbühne Berlin am Rosa-Luxemburg-Platz
 

Tod eines Praktikanten

Text und Regie René Pollesch


"...dass die, die sich da auf die Geste von Kritik beziehen, eigentlich nicht wissen, was sie tun, wenn sie zum Beispiel "für" die anderen sprechen. Die anderen brauchen vielleicht niemanden, der für sie redet. Es wird immer vor allem so getan, als hätten die keine Sprache, und dann kommt die Repräsentation ins Spiel. Die haben aber eine Sprache, die ist nur nicht weiss, heterosexuell, männlich und Mittelstand und wird als die geeignetere immer verleugnet. Es ist wie Donna Haraway sagt, über den Regenwald können anscheinend nur Greenpeace und europäische und amerikanische Wissenschaftler reden, aber nicht die, die im Regenwald leben. Ein Theaterabend, der sich mit der so genannten Unterschicht beschäftigt, und zwar als Repräsentationstheater, performt vor allem die Differenz zum Mittelstand, der im Zuschauerraum sitzt und auf der Bühne. So eine Darstellungspraxis, wie zum Beispiel auch Sigourney Weaver, die eine Autistin darstellt, performt nie den Anderen, sondern nur die Differenz zu dem was gesund, männlich, heterosexuell und Mittelstand ist. Auch immer um die Differenz zu erhalten oder zu vegrössern. Es darf sich vor allem nichts vermischen. Sonst würde die Schauspielerin auch keinen Oscar dafür kriegen. Während der Andere sein Leben lang die Differenz zur Gesellschaft performen muss, zementiert sein Darsteller vor allem die Erzählerposition, von der aus der Andere als Anderer überhaupt zu erkennen ist. Sigourney Weaver kommt dann auch auf Ideen wie, dass man die Welt durch die Augen eines Autisten sehen sollte, aber das ist natürlich PR, denn Sigourney Weaver ist vor allem Millionärin aus Zufall. Also was ist denn jetzt genau das Problem, wenn Sigourney Weaver eine Autistin spielt. Wenn eine Millionärin sich auf dem Boden rumwälzt und für die Autisten sprechen will und welches Heil die für die Menschheit bedeuten, wenn wir bloss einen Blick aus ihren Augen auf die Welt werfen würden. Auch für sie als Millionärin. Es ist diese männliche Mittelstandsposition, die diese Millionärin einnimmt, die immer das Glück bei den andern findet. Das ist das Problem. Sie lässt die Andern das Glück entgegennehmen. Der kann das Glück, dass sie ihm zuschreibt, dann auf den Seiten seines prekären Internettagebuchs veröffentlichen. (...) Dass sie sagt, sie will durch seine Augen die Welt sehn, das stimmt doch nicht, warum ist sie dann Millionärin geworden und nicht Autistin?" (René Pollesch) Premiere am 11. Januar 2007
//